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Die Europäische Wildkatze im Leipziger Auwald

 

In den Jahren 2013, 2015 und verstärkt im Jahr 2016 konnten die Europäische Wildkatze (Felis silvetris silvestris) im Leipziger Auwald zweifelsfrei nachgewiesen werden. Mit Hilfe von Fotos (Fotofallen) und der genetischen Analyse von gesammelten Haarproben konnte gezeigt werden, dass im Leipziger Auwald eine kleine Population vorkommt. Die bisher untersuchten Tiere weisen eine geringe genetische Variabilität auf und sind daher vermutlich aus nur einem Gebiet eingewandert. Aufgrund der genetischen Ähnlichkeit mit den Wildkatzen aus dem östlichen Harz und Sachsen-Anhalt kann man von einer natürlichen Besiedlung aus den genannten Gebieten ausgehen. Weitere Fragen, beispielsweise wie groß die neu entdeckte Population ist, werden aktuelle Forschungsarbeiten zeitnah beantworten (Stand August 2016).

 
 
 
 
 
 


Steckbrief und Vergleich mit der Hauskatze

Wildkatzen sind nicht etwa verwilderte Hauskatzen. Sie streiften schon durch die Wälder Europas, bevor die Römer die ersten Hauskatzen mit über die Alpen brachten (Hermann 2005). Phänotypisch sind Wildkatzen oftmals nur schwer von wildfarbenen Hauskatzen zu unterscheiden, daher liefern Sichtbeobachtungen von Wildkatzen zwar wichtige Hinweise, können jedoch nicht als sichere Nachweise angeführt werden (Hupe et al. 2007). Eine eindeutige Artbestimmung ist erst anhand morphologischer Kriterien, wie z.B. der Darmlänge oder genetisch möglich (Piechocki 1990).
Die Europäische Wildkatze sieht in ihrem Äußeren einer braun-grau-getigerten Hauskatze ähnlich. Auffällig ist allerdings der stark buschige Schwanz mit dunklen, deutlich abgesetzten Ringen und einem stumpfen, schwarzen Ende. Die Fellzeichnung ist nicht besonders kontrastreich, sondern verwaschen mit einem grau, cremegelbem bis ockerfarbigem Grundton. Große Verwechslungsgefahr mit Hauskatzen besteht vor allem bei den jungen Wildkatzen, da diese noch eine viel kontrastreichere Zeichnung aufweisen. In der Rückenmitte verläuft eine dunkle Linie (Aalstrich), die an der Schwanzwurzel endet. Besonders im Winterfell wirkt die Wildkatze gedrungen und kräftiger als die Hauskatze. In ihrer Größe ist die Wildkatze mit der der Hauskatze vergleichbar. Die Kater (in der Jägersprache auch Kuder genannt) wiegen um die fünf, die Katzen um die vier Kilogramm. Der Pfotenabdruck der Wildkatze sieht dem einer Hauskatze sehr ähnlich. Im rundlichen Abdruck erkennt man den Ballen und vier Zehen, wobei von den fünf Vorderzehen der Daumen nicht im Abdruck erscheint und die hinteren Pfoten nur vier Zehen besitzen.
In der Regel bringen die Katzen zwischen März und September (meist April) zwei bis vier Jungtiere zur Welt. Ein zweiter Wurf von Jungtieren stellt eher die Ausnahme dar und erfolgt meist nur nach dem Verlust des ersten. Die Tragzeit beträgt 63 bis 69 Tage.
Die Wildkatze ernährt sich in Mitteleuropa vor allem von Mäusen. Selten werden je nach Angebot auch Kaninchen, Eidechsen, Frösche, Insekten und Kleinvögel gejagt. Pflanzliche Nahrung und Aas nimmt die Wildkatze nur in Ausnahmefällen zu sich.
Wildkatzen erreichen in der Natur eine Alter von sieben bis zehn Jahren, in Gefangenschaft sogar ein Alter von über 15 Jahren (Piechocki 1990).

 

Tab.: Unterschiede zwischen der Wildkatze und der Hauskatze mit Abbildungen nach Kranz, Lapini, & Molinari (2009).

Wildkatze

(Felis silvestris silvestris)

Hauskatze

(Felis silvestris catus)

Fellfarbe grau mit cremegelbem bis ockerfarbigem Ton, weißer Kehlfleck glänzend, große Variabilität
Fellmuster deutlich abgeschwächte, verwischte Zeichnung meist kräftig durchgezeichnet
Körperbau plumper wirkend, da langhaarig, Läufe dick schlanker wirkend, da kurzhaarig, Läufe dünner
Kopfform wuchtig, breite Schnauzenform zarte, schlanke Schnauzenform
Schnurr- und Tasthaare
weiß, kräftig ausgebildet schwächer ausgebildet, zuweilen hornfarbig
Nasenspiegel hell fleischfarben meist dunkler
Ohr klein wirkend, da längeres Kopfhaar groß wirkend, da kürzeres Kopfhaar
Schwanz stumpfendig, stark buschig, über 50 Prozent der Körperlänge kurzhaarig, spitzendig, bis 50 Prozent der Körperlänge
Schwanzmusterung deutlich dunkel abgesetzte Ringe in der hinteren Hälfte helle Felder, silbergrau gefärbt, meist nicht so scharf abgesetzt
Krallen hell hornfarbig hell oder dunkelhornfarbig
Hinterfüße schwarze Sohlenfleckung, sehr variabel schwarze Sohlenzeichnung meist bis zur Ferse

Merkmale Wildkatze

Merkmale Hauskatze

 

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Lebensraum

 

Kleine, helle Lichtungen, im Wald verborgene Wiesen und ruhige, heckenreiche Säume am Waldrand sind der ideale Lebensraum der Wildkatzen. Baum- und Felshöhlen, Wurzeln und abgestorbenes Geäst sind wichtige Bestandteile ihres Lebensraums und dienen der Wildkatze als Rückzugsort oder als Versteck bei der Aufzucht ihrer Jungen (Piechocki 1990). Auf extensiv genutztem Grünland und an naturnahen Gewässerläufen finden die scheuen Jäger ihre Hauptbeute: Mäuse. Je vielfältiger, naturnaher und strukturreicher der Wald ist, desto tiefer dringen die Wildkatzen in ihn ein. Und umgekehrt: Wo Gebüsche und Hecken ihnen Deckung bieten, wagen sie sich aus dem Wald heraus. Der Auwald mit seinen zahlreichen Natur- und Landschaftsschutzgebieten gilt als einer der größten intakten Auenwaldbestände Mitteleuropas und stellt in vielen Bereichen ein gutes Habitat für die Wildkatze dar.

 

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Verbreitungsgebiet

Das Verbreitungsgebiet der Europäischen Wildkatze umfasst bis ins 20. Jahrhundert ganz Westeuropa und reicht in Osteuropa bis in den Kaukasus. Abschussprämien, gezielte Falschinformationen und Verleumdung führten dazu, dass die scheuen Wildkatzen intensiv bejagt wurden und großflächig in Deutschland verschwanden (Piechocki 1990). Heute gibt es für noch ca. 5.000 bis 7.000 Tiere in zwei Hauptverbreitungsgebieten. Zum einen gibt es die Vorkommen in Eifel, Hunsrück, Pfälzer Wald und Taunus, welche vermutlich untereinander im Austausch stehen und Anschluss an die Vorkommen in Ostfrankreich und Belgien haben. Das Gebiet beherbergt die bedeutendste deutsche Wildkatzenpopulation: im Pfälzerwald etwa 200 bis 600 Tiere, in der Eifel etwa 500 bis 1.000 Tiere, im Hunsrück etwa 500 bis 1.000 Tiere und im rheinland-pfälzischen Teil des Taunus östlich des Rheins etwa 100 bis 200 Tiere. Das zweite Verbreitungsgebiet, die zentral- oder mitteldeutsche Population, umfasst Wälder im Harz, Solling, Kyffhäuser, die übrigen Waldgebiete Nordthüringens und den Hainich.
Auch in Sachsen kommt die Wildkatze seit 2011 wieder vor, nachdem sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts als ausgestorben galt. Bisher konnte die Wildkatze mehrfach im Vogtland nachgewiesen werden. Außerdem wurde im September 2015 in der Dübener Heide eine tote Wildkatze gefunden. Sichtbeobachtungen, die unzureichende Kenntnislage und zurückgezogene Lebensweise der Tiere lassen ein größeres Verbreitungsareal in Sachsen vermuten als man aus den wenigen bisher gesicherten Nachweisen schlussfolgern kann. Diese These wird durch den Nachweis der Wildkatze in den letzten Jahren im Leipziger Auwald unterstützt.

 

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Vorkommen im Leipziger Auwald

Aufgrund erster vager Vermutungen aus den vergangenen Jahren hin startete der BUND Sachsen gemeinsam mit dem Staatsbetrieb Sachsenforst, den Stadtforsten Leipzig, den Unteren Naturschutzbehörden, der Auwaldstation Leipzig, örtlichen Jägern und weiteren Freiwilligen die sogenannte Lockstockkontrolle. Die nicht invasive (störungsfreie) Lockstockmethode hat sich neben Totfunden und Lebendfängen bei der Artbestimmung bewährt. Dabei werden raue Holzlatten in potenziellen „Wildkatzenwäldern" aufgestellt und mit Baldrian besprüht. Die Tiere fühlen sich vom Duft des Krautes angezogen, reiben sich daran und hinterlassen Haare (vgl. Hupe et al. 2007). Die Haarproben werden anschließend eingesammelt und genetisch im Forschungsinstitut Senckenberg (Fachgebiet Naturschutzgenetik) in Gelnhausen analysiert. Untersuchungen haben das Vorkommen der Wildkatze im Leipziger Auwald bestätigt. Die Frage, woher die Wildkatzen eingewandert sind, kann nach derzeitigem Erkenntnisstand noch nicht beantwortet werden und bedarf weiterer Forschung.

 

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Schutz

Die Wildkatze gehört zu den "besonders geschützten" Arten. Auf der Roten Liste der Wirbeltiere wird sie als "gefährdet" eingestuft. Zudem unterliegt sie europäischen Schutzbestimmungen. In der FFH-Richtlinie (Flora-Fauna-Habitatrichtlinie) steht sie im Anhang IV, welche "streng zu schützende Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse" auflistet und verbietet, Individuen dieser Arten zu töten oder ihre Fortpflanzungs- und Ruhestätten zu beschädigen. Im Freistaat Sachsen ist die Europäische Wildkatze zudem als bedeutende Zielart für den landesweiten Biotopverbund gelistet. Die Wildkatze ist zwar heute noch im Jagdgesetz gelistet, unterliegt aber einer ganzjährigen Schonzeit und darf nicht mehr bejagt werden.
Um den Fortbestand der Tiere im Leipziger Auwald sicher zu stellen, müssen die Rückzugsräume geachtet und wenige Regeln befolgt werden. Wir fordern alle Bürger dazu auf, in den Schutzgebieten bitte auf den Wegen zu bleiben, Lärm zu vermeiden, Hunde anzuleinen, die Wildtiere nicht zu stören oder gar anzufassen oder mitzunehmen.

 

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Wildkatzenmeldung

Aufgrund der scheuen und nachtaktiven Lebensweise der Wildkatze ist die wissenschaftliche Forschung auf Meldungen über Sichtungen oder Totfunde besonders angewiesen. Alle Meldungen in Sachsen werden in einer Datenbank bei den Unteren Naturschutzbehörden sowie dem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie gespeichert.
Wenn Sie eine Wildkatzenbeobachtung oder einen Totfund gemacht haben können Sie diesen beim BUND Sachsen melden und damit Forschung und Naturschutz unterstützen.
Da es sich bei der Wildkatze nach dem Bundesnaturschutzgesetz um eine streng geschützte Art handelt, dürfen Totfunde ausschließlich mit einer Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde eingesammelt werden. Daher bitte auch aufgrund der bestehenden Seuchengefahr die Tiere unbedingt liegen lassen und den Totfund nur zu melden. Es wird eine schnellstmögliche genehmigte Bergung des Tieres realisiert. Gerne kann auch der zuständige Jagdausübungsberechtigte oder Revierförster über den Fund informiert werden.

 

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Kommentare zur Wiederentdeckung der Wildkatze im Leipziger Auwald

 

„Wir sind selbst überrascht von dieser schönen Nachricht." (Prof. Dr. Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen)

„Es ist ein Geschenk für Sachsen, dass es hier Wildkatzen gibt." (Andreas Sickert, Leiter der Abteilung Stadtforsten der Stadt Leipzig)

„Dass Wildkatzen im Leipziger Auwald vorkommen, spricht für die Qualität des Naturraums trotz seiner Stadtnähe." (Andreas Padberg, Leiter des Forstbezirkes Leipzig)

 

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Literatur und Links

 

Nicht zum kuscheln - Wildkatzen im Leipziger Auwald (Beitrag von mdr Wissen, 23.06.2020)

Projekt Rettungsnetz Wildkatze des BUND Sachsen

Kranz, A., Lapini, L., & Molinari, P. (2009). Achtung Wildkatze - nicht schießen! Der Anblick, 12.

Hermann, M. (2005): Ökologie und Biologie der Wildkatze Felis silvestris silvestris (Schreber, 1777). unveröffentlichte Studie. (zu finden hier)

Hupe, K.; Simon O. (2007): Die Lockstockmethode - eine nicht invasive Methode zum Nachweis der Europäischen Wildkatze (Felis silvestris silvestris). Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen, Heft 1/07, S. 66-69

Piechocki, R. (1990): Die Wildkatze, Die Neue Brehm-Bücherei (Nr. 189), 1. Auflage, Wolf Verlags KG.

 

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